Heiner Laatsch, Jörg Henning Laatsch              

Die Teutoburg war Zeugeder Varusschlacht!

 

Einleitung 

Wenn man sich auf die Suche nach den Örtlichkeiten der Varusschlacht 9 nach Christi Geburt begibt, ist die folgende Frage und ihre richtige Beantwortung von erheblicher Bedeutung.

 

Sollen ganze Teile der geschilderten Handlungen, Zeitabläufe, Topographien und Umgebungen der antiken Geschichtsschreiber Publius Cornelius Tacitus, Cassius Dio, Velleius Paterculus und Lucius Annaeus Florus immer dann zu unverbindlichen Hinweisen verkommen, wenn sie nicht so richtig passen wollen? Kalkriese ist ein Beispiel dafür. Denn die vorliegenden historischen Berichte sind nicht, wie oft behauptet wird, auf viele Örtlichkeiten anwendbar.

 

Von den genannten Historikern macht Tacitus zum Ort des finalen Kampfgeschehens die interessantesten Angaben. Er berichtet u.a. über massive Eingriffe in das Erdreich, deren Spuren noch heute sichtbar sein können, die aber nach so langer Zeit vielleicht nicht mehr im richtigen Zusammenhang gesehen werden.

 

Hören wir Tacitus einmal genau zu. Dann berichtet er von einem Schlachtfeld, das mitten zwischen zwei römischen Marschlagern und in der Nachbarschaft von (heiligen) Hainen liegt. Es gibt in deren Umgebung auch Martergruben für gefangene Römer sowie einen Grabhügel (später zerstört), in dem Germanicus die Gebeine der gefallenen Legionäre bestattet. Alles zusammen aber liegt im Bereich eines Waldgebirges, in dem sich eine Burg (Teutoburg) befindet.

Betrachtet man nun die im südöstlichen Lippischen Bergland liegende Herlingsburg und deren nähereUmgebung, dann ergeben sich einige überraschende Gesichtspunkte. 

Der Burgenforscher Ludwig Hölzermann ist, nachdem er (um 1878) in den Wallanlagen bei Siekholz und Altenschieder (hier die ältere Vorburg) Grabungen durchgeführt hat, überzeugt, zwei römische Schanzen vor sich zu haben (Schieder, von Walter Schmidt, Dr. Friedrich Meier, Paul Pankoke, Gemeindeverwaltung Schieder 1964). Die Anlage in Siekholz hält er für ein römisches Nachtlager, das eilig aufgeworfen und kurz darauf wieder verlassen wird (Friedrich Hohenschwert, Ur- und frühgeschichtliche Befestigungen in Lippe, Verlag F.L. Wagener, Lemgo, 1978). Nach heutiger Meinung befindet sich die endgültige Entstehungsgeschichte beider Anlagen noch im Dunkeln.

 

Südlich der Wallanlage bei Siekholz liegt ein großes Feld, das Siekfeld. Der Name weist auf eine erhöhte Bodenfeuchte hin.

In der Nachbarschaft des Siekfeldes liegen der Große- und der Kleine Heinberg. In Schieder hat man die ältere Schreibweise „Hainberg“ beibehalten.

Unterhalb der Herlingsburg findet der Archäologe Carl Schuchhardt um 1900 sechs tiefe Erdlöcher, die er als Vorratsgruben deutet. (Schieder, von Walter Schmidt, Dr. Friedrich Meier, Paul Pankoke, Gemeindeverwaltung Schieder 1964).

 

Ebenfalls im Bereich der Herlingsburg befindet sich eine Bodenanlage, die der Archäologe Friedrich Hohenschwert als sehr merkwürdig bezeichnet (Friedrich Hohenschwert, Ur- und frühgeschichtliche Befestigungen in Lippe, Verlag F.L. Wagner, Lemgo, 1878). Diese Anlage ist im Jahre 1902 von Schuchardt untersucht worden. Beim Studium der von ihm gefertigten Grabungsskizzen fällt uns auf, dass es Übereinstimmungen mit einer kreisförmigen römischen Grabanlage in Haltern am See gibt (s. Rainer Wiegels, Die Varusschlacht, Theiss Verlag, Seiten 77,78). Wir informieren daraufhin das Lippische Landesmuseum Detmold, das im Anschluß an eine gemeinsame Ortsbegehung (Sept. 2009) eine erneute Grabungsuntersuchung in Aussicht stellt.

 

An dieser Stelle möchten wir über eine Begegnung berichten, die Herr Heinz Klenke aus Lügde, der uns seit fast einem Jahr tatkräftig begleitet, aus beruflichen Gründen mit Friedrich Hohenschwert hatte. In der Zeit, als an der Heinbergsiedlung gebaut wurde, äußerte dieser, dass er manchmal hier in der Gegend auf Holzdämme im Erdreichstößt, die nach Beschaffenheit und Größe den römischen gleichen, und es würde ihn nicht wundern, wenn sich hier zur Zeit der Varusschlacht Römer aufgehalten hätten.

Ein weiterer Ort, der aufrömische Baukunst hinweist, ist das fast 1150 Jahre alte Westwerk der Klosterkirche Corvey an der Weser.

 

Zur Gründung des Klostersberichtet die „Notitia Fundationis Corbeiensa II“ aus dem 13. Jahrhundert von einem Landgut Huxeri und einem bereits vorhandenen, aus Stein erbauten Haus im Besitz eines Grafen Bernhard.

Ein Steinhaus in Corvey oder in der näheren Umgebung kann, bevor die Mönche hier tätig wurden, nahezu ausgeschlossen werden. Es sei denn, es hätte eine römische Entstehungsgeschichte.

 

Wurden beim Bau des karolingischen Westwerkes große Teile dieses Steinhauses verwendet und ganze Räume kopiert?

Es fällt auf, dass man wohl alle im Westwerk noch vorhandenen Wandmalereien der  Aenaisdes Vergil zuordnen kann. Danach sieht man z.B. auf einem noch relativ gut erhaltenen Wandbild Aeneas, wie er beim Passieren der Charybdis der drohenden Skylla den Schild des Abas entgegen hält.

 

In dem Buch „Die Klosterkirche Corvey“ (von Hilde Clausen und Anna Skriver, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2007) stellt Hilde Clausen fest, dass zwei von sechs Sinopien, nämlich jene auf der Westwand des Quadrums unterhalb der hervorgehobenen Westempore, Frauen darstellen.

Waren diese die Göttinen Justitia und (die augusteische) Pax?

Velleius Paterculus, ein Zeitzeuge des Varus, schreibt sehr anschaulich über ihn (Paterculus II/118(1,2):

 

"….. er sah sich mehr als Stadtprätor, Recht sprechend auf dem römischen Forum, und weniger als Führer einer Armee im abgeschiedensten  Germanien."


Bei der großen Bedeutung, die Varus der Rechtsprechung gibt, kann ein repräsentatives Steinhaus in seinem Sommerlager (einer Civitas?), indem er sicher auch Gerichtsverhandlungen führt, angenommen werden.





Die These  

        Basierend auf den Schilderungen der vier antiken         HistorikerPublius Cornelius Tacitus, Cassius Dio, Velleius      

Paterculus und LuciusAnnaeus Florus.          

Die Ortsnamen tragen die heutige Bezeichnung.

Im Herbst des Jahres 9 nach Christi Geburt verlässt Varus mit drei Legionen und dem großen Tross das Sommerlager Corvey an der Weser. Sein Ziel ist, ein für die kalte Jahreszeit vorgesehenes Lager am Rhein zu erreichen.

Auf Anraten von Arminius wird er nun nicht den üblichen Weg von Corvey über das Eggegebirge und entlang der Lippe nehmen, sondern zuerst in nordwestlicher Richtung mitten durch das Land der Cherusker marschieren. Arminius hat ihn gebeten, diesen Umweg zu nehmen, um eine kurz zuvor ausgebrochene Unruhe in der Bevölkerung im Bereich des großen Hellweges (heute etwa die B1) durch Rechtsprechung zu befrieden.

Der Mehraufwand für die Legionen ist nicht unerheblich, da es über gebirgige, sehr unzulängliche Wege mit dichter Bewaldung geht. Varus ist sich dessen bewusst, aber es erscheint ihm wichtig zu handeln, kennt er doch schon weitere Stimmen aus seiner nächsten Umgebung, die ihm Bewegung in diesem Landstrich melden.

Segestes, Cherusker wie Arminius, hat Varus vor einer Falledes Arminius gewarnt. Varus glaubt aber an eine Verleumdung des Segestes, denn dieser sieht missgünstig auf Arminius und möchte vielleicht aus persönlichen Gründen nicht, dass in dieser Sache gehandelt wird. Dem Römer ist bekannt, dass Arminius und Segestes seit längerer Zeit kein gutes Verhältnis haben. Arminius jedenfalls drängt Varus zu handeln und zeigt keine Bedenken, notfalls auch gegen eigene Landsleute vorzugehen. Er bietet Varus freundschaftlich seine Hilfe an,den Marsch mit großem Tross gemeinsam durchzuführen.

Im Anschluss an die geplante Aufgabe hat Varus dann die Möglichkeit, über den nahe gelegenen großen Hellweg den Rhein zu erreichen.
So hält sich zumindest die Länge des Umweges in Grenzen.

 

1.Tag (ca.15 kmWeglänge)

Nachdem die Legionen und der große Tross auf der etwa 2,0 km langen geraden Trasse von Corvey nach Höxter im Bereich des heutigen Bahndammes Aufstellung genommen haben, beginnt der Marsch aus dem Sommerlager Corvey, begleitet von Arminius und Segimerus einem entfernten Verwandten desArminius.

Die Spitze der Marschformation verlässt alsbald die Weserebene (ca. 95m üb. NN) und beginnt den Aufstieg in das dicht bewaldete Gebirge (Heiligengeisterholz).
Etwa nach der Hälfte des Weges verlassen Arminius und Segimerus die Römer, um wie versprochen nun eigene bereitstehende Truppen heran zu holen und so den Marsch der Legionen zu verstärken bzw. zu sichern. Tatsächlich aber lässt Arminius, nachdem er seine Truppen übernommen und das Ende der römischen Marschformation Corvey verlassen hat, das fast leere Sommerlager ausrauben und alle über das Land zerstreut stationierten römischen Soldaten umbringen.

Zugleich beginnen vereinzelte Angriffe der Germanen auf die Legionen des Varus und hier besonderes auf den unbewaffneten Tross, da dieser leichte Beute verspricht.

Einsetzender Regen und Sturm sowie die immer häufiger werdenden Angriffe erschweren mehr und mehr den Marsch. Eine wirksameGefechtsaufstellung ist in dem dicht bewaldeten Gebirge nicht möglich, und so mehren sich die Verluste bei den Römern.

Varus begreift, dass die Warnung des Segestes zu Recht erfolgt ist. Arminius ist ein Feind Roms. Ihm wird klar, dass nicht nur ernsthafte Angriffe auf seine Legionen bevorstehen, sondern dass sich auch ein Rückzugnicht mehr anbietet. Der dichte Baumbestand und der andauernde Regen verschaffen ihm einen erheblichen strategischen Nachteil.

Bevor er seine Truppen aus dem Gebirge hinunter in die Ebene des Steinheimer Beckens (ca. 180 m üb. NN) führt, lässt er auf der  Hochfläche (ca. 300 m üb. NN) im Bereich des Gutes Oldenburg ein Lager errichten.

Varus entschließt sich, alles, was nicht unbedingt gebraucht wird oder den Marsch behindert, zu verbrennen bzw. zurückzulassen. Er will die Beweglichkeit seiner Legionen erhöhen.

 

 2. Tag (ca. 10 kmWeglänge) 

Etwas besser aufgestellt und ohne den großen Tross verlassen die Legionen das Lager und erreichen die Ebene des Steinheimer Beckens.

Da sie während des Abzuges aus dem Lager noch ständigen Angriffen ausgesetzt sind, beschließt Varus eine Richtungsänderung.

Er weicht vom vorgesehenen Weg ab (etwa auf der Höhe des Ortes Ruensiek) und marschiert nun in Richtung Norden, um weitere Angriffe zu vermeiden. Er weiß, dass der vorgesehene Weg eine groß angelegte Falle ist.

Die Angriffe lassen bald nach und sie erreichen eine Lichtung. Vor ihnen liegt eine große Wiesen- und Ackerbaufläche beiderseits des Flusses Emmer, im Bereich der Stadt Schieder.

Hier, südlich der Emmer (der Fluss ist nur 1 km entfernt),errichten sie wieder ein Lager (Kulturdenkmal Wallburg, Altenschieder, ca. 200m üb. NN). Varus beschließt morgen mit seinen Legionen die Emmer zu durchqueren, allerdings an einer Stelle, die Arminius diesmal unbekannt ist. Arminius ist die Richtungsänderung der Legionen nicht entgangen. Er eilt mit seinen Truppen, deren großer Teil sich weiter westlich bzw. nördlich der Emmer befindet, über den Großen Hellweg bis zum Winterberg, um auf gleicher Höhe mit den Römern zu sein.  

 

 3.Tag (ca. 13 kmWeglänge)

Varus verlässt das Lager mit seinen Legionen in nordöstlicher Richtung um dann nach ca. 5.0 km Wegstrecke die Emmer (ca. 110 müb. NN) zu durchqueren.

Er hat vor, so schnell wie möglich das in nordwestlicher Richtung ansteigende und ins Gebirge führende Tal des Uhlenbaches (Hermannstal) der Länge nach zu durchschreiten, um weiter über den Ort Eschenbruch (ca. 250 m üb. NN) den Großen Hellweg zu erreichen, noch bevor Arminius mit seiner Streitmacht dort eintrifft. Hier ist er in einer strategisch erheblich besseren Position. Arminius hat das Manöver durchschaut. Im Eilmarsch führt er die Hauptmacht seiner Truppen auf dem nur spärlich mit Bäumen bewachsenen Großen Hellweg nördlich am Winterbergvorbei und den Legionen des Varus entgegen.

Im Bereich der Schluchten und Berghänge des Ortes Eschenbruch erreichen die nun einsetzenden Kämpfe einen Höhepunkt. Die hier dicht stehenden Bäume und Baumwurzeln nutzen den Germanen, denn sie erhöhen die Verluste der Römer immer dann, wenn Fußsoldaten und Reiter sich zusammenschließen, um gemeinsam die Germanen abzuwehren.

In dieser ausweglosen Situation ergreift Numonius Vala, ein Legat des Varus, mit seinen Reitern die Flucht. Den Römern ist der Durchbruchzum großen Hellweg verwehrt. Sie werden abgedrängt.

Varus erkennt die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens und wendet sich mit seinen Legionen nach Südwesten.

Entlang der Herlingsburg, über den Klingenpass, zwischen dem Großen und Kleinen Hainberg hindurch, erreichen die Legionen nun über Siekholzden Rand der am Tag zuvor gesehenen Lichtung, diesmal auf der nördlichen Seite der Emmer.

Hier gelingt es Varus trotz der erlittenen Verluste, viele seiner Legionäre sind in den letzten Kämpfen verletzt oder gefallen, noch einmal ein notdürftig befestigtes Lager zu errichten (Kulturdenkmal Ringwall, 1km nördlich der Emmer, ca. 140 m üb. NN).

Varus hofft, dass sich am folgenden Tag auf der weiten vor ihnen liegenden baumlosen Fläche eine letzte Chance bietet, das Schicksal doch noch zu wenden.

 

4.Tag (finales Gefecht und Flucht)

Das große, fast ebene Feld (Siekfeld) im Bereich der Emmerniederung und des Blutbaches ist durch den zum Teil andauernden Regen der vergangenen Tage aufgeweicht und nur mühsam zu begehen.

Als der Ausbruch der Römer aus dem Lager erfolgt, bricht ein starker Regen und furchtbarer Sturm los.

In kurzer Zeit verwandelt sich der gesamte Boden des Feldes in einen für sie fast undurchdringlichen Morast. Ihre ohnehin schon schwere Ausrüstung wird nun völlig durchnässt, so dass sie kaum noch zu gebrauchen ist. Kein sicheres Gehen und Stehen sind mehr möglich.

Die leichtere Ausrüstung der Germanen und ihre dadurch größere Beweglichkeit sowie die ständige Zunahme ihrer Anzahl führt schließlichdie Römer in eine Niederlage, in deren Folge die Überlebenden in Richtung Südwesten (Steinheim, Himmighausen, Eggegebirge, Bad Lippspringe) flüchten und in Rückzugsgefechten bis auf wenige, die später über das Geschehene berichten, aufgerieben werden.

Aus Angst, lebendig gefangen zu werden, töten der verletzte Varus und die hohen Offiziere sich selbst.

Im Jahre 15 nach Christi Geburt wird der Römische Feldherr Germanicus nach Inspektion der beiden Lager des Varus und dem in der Mitte liegenden Schlachtfeld von dort ausgehend die Gebeine der Gefallenen einsammeln lassen und am Endpunkt dieser Strecke einen nach Süden
ausgerichteten Tumulus errichten.
 

                

                                     

Nachwort

Obwohl, mit Ausnahme derHerlingsburg, den vorhandenen Kulturanlagen der wissenschaftliche Nachweis für die Zeit um Christi Geburt noch fehlt, erscheinen sie dennoch wie die nun sichtbaren Teile des Ganzen. Sie verdeutlichen nicht nur das historische Geschehen, sondern sie bewirken auch Bestätigung und Übereinstimmung der vier genannten antiken Überlieferungen und stärken damit, wie wir meinen, die Plausibilität der aufgestellten These.

 

( Im Netz veröffentlicht  am 09.03.2010 )